(gesendet auf arte, 24.09.2018 – in der Mediathek noch abrufbar)
Für diesen Film braucht man gute Nerven, sehr gute Nerven – um das unfreiwillige Martyrium der Hauptdarstellerin Wajna aushalten zu können. Afghanistan, heutige Zeit. Alles fängt ganz harmlos an, ein junges Paar verliebt sich ineinander. Der Zuschauer lernt die Familie kennen, den Alltag, (verbotene?) Hundekämpfe. Wajna will studieren und ist an der Uni angenommen. Das Paar trifft sich heimlich. Ihr Liebhaber Mustafa gesteht ihr seine große Liebe. Wie es das Schicksal will, wird sie ungewollt schwanger. Jetzt beginnen die Probleme. Mustafa will nichts mehr von ihr wissen. Er könnte die „Ehre der Familie“ durch eine Heirat retten, genau das will er aber nicht. Er zweifelt an der Vaterschaft, an ihrer Jungfräulichkeit. Sie versichert ihm hoch und heilig, dass er der erste Mann in ihrem Leben war. Doch es kommt zur Trennung.
Wajnas Freundin weiß keinen Rat für die Verzweifelte. In Afghanistan ist Abtreibung Mord. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Als der Vater von der Schwangerschaft schließlich erfährt, ist er wegen der Schande, die seine Tochter über die Familie gebracht hat, außer sich vor Wut. Er schlägt sie halb tot und droht ihr mehrfach, sie umzubringen. Sie wird von ihm in einen Holzschuppen eingesperrt, ohne Essen und bei eisiger Kälte. Er macht die Familienmitglieder mitverantwortlich, weil sie Wajna nicht genügend kontrolliert und zuviel Freiheit gestattet hätten. Über Wajnas Handy findet er ihren Liebhaber, Mustafa, heraus. Bei einem Treffen mit ihm kommt es beinahe zu einer Schlägerei, als dieser sich weigert, die Entehrte zu heiraten. Auch Mustafa erhält Morddrohungen.
Bei einem „Staatsanwalt“ erkundigt sich der Vater nach den rechtlichen Konsequenzen im Fall eines „Ehrenmordes“. Unter bestimmten Voraussetzungen darf ein naher Verwandter laut Scharia eine Frau, die die Ehre der Familie verletzt hat, töten. In diesem Fall muss der Vater aber mit einer Mordanklage rechnen, u.U. sogar mit der Todesstrafe. Er kann aber seine Tochter anklagen, die dann ins Gefängnis kommt, dort später entbinden kann. Das Kind würde dann in ein Waisenhaus kommen. Das Allerschlimmste für den Vater ist nicht eine lange Gefängnisstrafe für die Tochter (und weitere Körperstrafen), sondern dass Nachbarn und Verwandte die Schande der Familie mitkriegen würden. Der Anwalt rät, die Tochter in aller Heimlichkeit irgendwo aufs Land zu schicken, wo sie ihr Kind bekommen kann, das ihr danach weggenommen würde. Auf diese Weise würde nach außen der Schein gewahrt.
Es kommt zu einer weiteren dramatischen Zuspitzung: Die Oma hat heimlich der eingesperrten hungernden und frierenden Wajna ein kleines Öfchen hereingeschmuggelt, an dem sie sich ein bisschen aufwärmen kann. Wajna unternimmt einen verzweifelten Selbstmordversuch. Sie setzt ihr Gefängnis in Brand. Mit schweren Brandverletzungen kommt sie schließlich auf die Intensivstation, aber sie überlebt.
Der Vater hat in der Zwischenzeit einen Reisepass für Wajna für viel Geld besorgt. Mutter und Bruder bringen sie zum Flughafen, damit sie in Pakistan „legal“ ihr Kind abtreiben lassen kann.
Der Film bringt sehr anschaulich die Problematik der Familienehre im heutigen Afghanistan (und anderen islamischen Ländern) zum Ausdruck. Diese steinzeitlichen Moralvorstellungen bringen natürlich auch die Flüchtlinge mit nach Deutschland. Der grausame und brutale Vater hat nur die „Ehre“ im Sinn, ist aber letzten Endes auch ein Gefangener seiner Kultur und seiner Religion. Das Gesetz der Jungfräulichkeit steht über allem, die natürliche Liebe zwischen Vater und Tochter zählt nicht mehr. Die vermeintliche Ehre vor den anderen überlagert jede menschliche Regung.
Da wir in Deutschland eine starke muslimische Zuwanderung haben und dieselben Probleme, eignet sich dieser Film, der uns auch interessante Einblicke in die arabische und orientalische Lebenswelt bietet, hervorragend für Diskussionen.
Wo sind die Feministen, die Gutmenschen, die Kirchen, die Politiker und Politikerinnen, die Grundrechtsaktivisten, die Altparteien, die Presse und die Journalisten, die Elite und die Intelligenz ?
Wo ist der öffentliche Aufschrei ?
Es grüßt Sie herzlich,
Michael Jahn