Als Leser brauchen Sie gute Nerven, denn Sie gehen mit der Autorin durch Himmel und Hölle. Vor allem durch die Hölle der Kindheit und Jugendzeit der Rana Ahmad, die in Riad, also Saudi-Arabien, aufwächst, und die doch so sehr die Freiheit und das selbstbestimmte Leben liebt. Schon als Kind muss sie sich vor den Männern verhüllen.
Sie hasst den Nikab und die Abaya und erschrickt, wenn sie sich vor dem Spiegel sieht. Männer bestimmen ihr Leben, ob sie überhaupt arbeiten darf, ob sie an die frische Luft darf, dann aber nur mit dem verhassten Stück Tuch vor Mund und Nase. Die Religionspolizei lauert überall. Ihre beste Freundin wird eines Tages mit einem nicht mit ihr verheirateten Mann erwischt, sie wird zu Peitschenhieben und Gefängnis verurteilt.
Als Ranas Bruder sie eines Tages bei ihrer Arbeit im Krankenhaus ohne vollständigen Schleier sieht, wird sie brutal misshandelt. Sie erkennt, dass sie in dieser Gesellschaft, in dieser total religiösen Familie keine Chance auf Freiheit hat. Nach Wochen und Monaten des Gefangen-Seins in ihrem häuslichen Zimmer und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch und tiefer Depression wird plötzlich das Internet zu einem kleinen Hoffnungsschimmer. Sie sieht amerikanische Spielfilme, sie lernt europäische Philosophen kennen, sie tauscht sich auf Blogs und Internet-Foren mit Gleichgesinnten aus und sie lernt Menschen kennen, die vom Islam abgefallen und jetzt Atheisten sind. Darauf steht in arabischen Staaten die Todesstrafe.
Sie kann nur unter strengster Geheimhaltung diese Menschen, die eine ganz andere Welt und Denkweise darstellen, kontaktieren. Sie lebt in ständiger Angst – würden ihr Bruder oder ihre Mutter von ihren Kontakten erfahren, würde sie von denen umgebracht werden.
Sie lernt Darwin kennen und die Evolutionstheorie. Sie zweifelt immer mehr an dem, was sie als Kind im Koran und im Religionsunterricht gelernt hat. Sie entscheidet sich schließlich zum Atheismus. Sie weiß, das ist lebensgefährlich. Und so reift in ihr der Plan, Saudi-Arabien, ihrer Heimat, ihrer Familie und allem Bekananten den Rücken zu kehren – und heimlich zu fliehen. Denn nur so kann der Plan funktionieren. Das bedeutet aber auch, dass sie ihren geliebten Vater verlassen muss.
Der Plan ihrer Flucht, zunächst in die Türkei, mithilfe ihrer Facebook-Freunde, liest sich wie ein Krimi. Dann die abenteuerliche Flucht über Griechenland bis schließlich nach Köln in eine Flüchtlingsunterkunft.
Der Leser bekommt gute Einblicke u.a. in das Schlepperwesen, genauer gesagt, Schlepperunwesen. Wir erfahren sehr viele Details über das völlig unterschiedliche Leben von Männern und Frauen, über den Islam, über die Machos und ihre Kultur in arabischen Ländern, über Pilgerreisen nach Meckha etc. Wir erhalten auch Einblicke über Hilfsorganisationen, die fluchtwilligen Frauen aus dem Orient helfen, über Flüchtlingsheime in Deutschland und darüber, dass dort, wo Frauen, die vor dem politischen, gewalttätigen Islam geflohen sind, wieder in die Macht und in den Einflussbereich von Salafisten und Islamisten geraten.
Rana Ahmad ist eine äußerst bewundernswerte Frau, die unter schwierigsten Bedingungen es schafft, ihren Traum von einem freien Leben zu verwirklichen. Sie lernt Englisch, sie schafft sich einen Helferskreis im Internet von Atheisten bzw. für Vom-Islam-Abgefallene. Sie unterstützt andere Frauen in vergleichbaren Situationen und möchte ihnen Mut machen. Sie wird zur „Ungläubigen“, von denen im Koran immer wieder abschätzig die Rede ist.
Deutschland ist für sie die Verwirklichung eines Traumes. Rana ist gelebte Integration. Sie ist unendlich dankbar ihrem Gastland gegenüber(im Unterschied zu etlichen anderen, sogenannten „Geflüchteten“). Ihr altes Leben bleibt noch schattenhaft erhalten:
Sie muss immer noch mit ihrer A N G S T kämpfen: Wenn ihr Bruder sie in Köln entdeckt, wird er sie umbringen. Gemäß der Sharia. Das ist der „friedliche Islam“ 2018.
Absolut lesenswert!!!
Es grüßt Sie herzlich Michael Jahn