… oder warum braucht Deutschland eine neue Partei?

Der Kreisverband AfD Münster hat jeweils den 07. Februar eines Jahres zum AfD-Tag erkoren, weil an diesem Tag vor nunmehr 23 Jahren der Maastrichter Vertrag unterschrieben wurde.

 So mancher wird sich fragen, was hat denn diese Vereinbarung über das Zusammenwirken europäischer Staaten überhaupt mit der AfD zu tun? Auf den ersten Blick gibt es keinerlei Zusammenhang, zumal die Partei doch mehr als 21 Jahre danach erst gegründet wurde. Aber schon auf den zweiten Blick wird deutlich: Der Maastrichter Vertrag war der Geburtshelfer der Partei, ohne ihn hätte es die Alternative für Deutschland so nicht gegeben. Und eine genauere Analyse der Vorgänge um diesen Vertrag zeigt: Kein anderes Ereignis in der deutschen Nachkriegsgeschichte, auch nicht der doppelte Atomausstieg, verdeutlicht anschaulicher die Notwendigkeit einer alternativen Politik.

Ein Rückblick zur Entstehung des Maastrichter Vertrags

Wesentlicher Bestandteil des Vertrages von Maastricht sind Bestimmungen zur gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik in der EU. Die Bundesregierung war,
womöglich auf nachdrücklichen Wunsch der französischen Regierung (siehe Spiegel 39/2010),zu der Erkenntnis gelangt, dass auch Deutschland die Einführung einer europäischen Währung erstreben und Mitglied dieses Währungsverbundes werden soll.

Damit begann ein experimentelles Planspiel von supranationaler Größenordnung, ein Großversuch ohne überschaubare Versuchsanordnung, ohne Kontrollchecks, ohne Dokumentation der Parameter, ohne den Willen der Versuchsteilnehmer und ohne Abbruchmöglichkeit.

 Als bekannt wurde, dass vor Schaffung einer Wirtschaftsunion in Europa für die gänzlich verschiedenartigen Volkswirtschaften der Nationen eine Einheitswährung beabsichtigt sei, führte das zu heftigen Reaktionen in der Fachwelt. Ein besonders profilierter Mahner war Prof. Hankel, ehemals Chefvolkswirt der KfW, Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundeswirtschaftsministerium unter Prof. Karl Schiller und anerkannter Währungs-Spezialist. Überwiegend wurde von den Ökonomen die Auffassung vertreten, dass eine Einheitswährung wohl erstrebenswert sein könne, aber erst nach Angleichung der nationalen Volkswirtschaften; würde zunächst die Währung vereinheitlicht, drohe diese zu scheitern, weil der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werde. Die Stimmung in der deutschen Bevölkerung war ähnlich ablehnend. Sämtliche Umfragen ergaben, dass die Mehrheit die DM behalten wollte, weil die Risiken einer europäischen Einheitswährung zu
groß seien.

In dieser Situation geschah, was die demokratische Staatsform nicht vorsieht und die Väter des Grundgesetzes unter allen Umständen vermeiden wollten: Einige führende Politiker der etablierten Parteien CDU, SPD und FDP kamen überein, die Idee einer alsbaldigen Einheitswährung als Projekt zu verfolgen und sowohl gegen den Willen der Bevölkerung als auch den massiv ablehnenden Stellungnahmen der Wissenschaft zum Trotz einfach „durchzuziehen“. Die anfänglich erwogene und teilweise für notwendig erachtete Mitwirkung des Volkes durch ein neu zu schaffendes Instrument der direkten Demokratie auf Bundesebene (Referendum oder Volksentscheid) wurde wegen des absehbar unerwünschten Ergebnisses schnell verworfen mit der Begründung, die Aufgabe der eigenen Finanzhoheit und Währung werde von der allgemeinen Kompetenz einer gewählten Legislative mit umfasst und sei für das öffentliche Leben nicht derart gravierend, als dass der Souverän hierüber gesondert befinden müsse. Eine Streitkultur unter den Parteien oder parlamentarische Diskussionen fanden mangels Opposition nicht statt. Sobald Abgeordnete Bedenken anmeldeten, wurde Fraktionsdisziplin eingefordert.

Es begann mit einer Vision …

Eine tragfähige Begründung für das unbedingte Verlangen einiger Politiker um den damaligen Bundeskanzler Kohl nach einer schnellen Einheitswährung gab es nicht und wurde auch nicht bemüht. Statt dessen war allgemein vom Ziel eines gemeinsamen Wirtschaftsraums die Rede, den es zu erreichen gelte. Dieses Ziel wurde durch eine vorzeitige Einheitswährung allerdings eher in Frage gestellt als gefördert, musste aber als „Vision“ für eine argumentative Rechtfertigung herhalten: Die verfolgte Politik sei zwar gegen den Willen der Bevölkerung, aber letztlich doch nur zu ihrem Wohle! Der Souverän wurde nicht nur übergangen, sondern zudem noch wie ein unmündiges Kind behandelt. Für diese Arroganz der Politik den Bürgern gegenüber sowie für ihre Ignoranz den Fachleuten gegenüber steht die Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages.

Allein der Umstand, dass es an allen demokratischen Entscheidungsprozessen vorbei nur infolge eines empathischen Wohlgefühls einiger Politiker, das vermeintliche Richtige zu tun, überhaupt zur Unterschrift unter den Vertrag von Maastricht gekommen ist, sollte abschreckendes Beispiel und Mahnung genug sein, um für eine neue politische Kultur zu werben. Damit ist allerdings die historische Bedeutung des Vorgangs nur zu einem kleinen Teil gewürdigt. Der Vertrag steht sinnbildlich auch für eine bundesdeutsche Politik des Scheiterns, der Uneinsichtigkeit, der Eskalation, der Verbissenheit und der Unbelehrbarkeit. Alle denkbaren Korrekturmechanismen für politische Fehler haben bislang versagt und wir stehen aufgrund des Schicksals, das dieser Vertrag genommen hat, vor der bitteren Erkenntnis, dass unsere verfassungsmäßige Ordnung der Bevölkerung keinen ausreichenden Schutz vor politischen Fehlentwicklungen bietet.

Von eingebauten Sicherheiten und ihren konsequenten Brüchen

Die Taktik, das demokratische Verfahren zur Entscheidungsfindung auszuhebeln und mit dem Anspruch auf intellektueller Überlegenheit gegen die Bevölkerung sowie gegen den Sachverstand der Wissenschaft Politik zu machen, hatte im Ratifizierungsprozess vollen Erfolg und auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand, wobei rückblickend schon erschreckend ist, wie „glatt“ das alles lief. Insbesondere hat die Bestätigung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Abgabe der Finanzhoheit an eine supranationale Einrichtung sowie die Aufgabe der eigenen Währung von einem gewöhnlichen Wahlmandat erfasst sei, bei vielen Beobachtern doch einiges Kopfschütteln verursacht.

Jedenfalls drohte aus der Sicht der „Macher“ nur noch an der Wahlurne eine Gefahr für die Einführung der Einheitswährung, die zu 01. Januar 1999 als Buchgeld vorgesehen war. Deshalb warb die CDU im Bundestagswahlkampf 1998 massiv um das Vertrauen der Bürger in die Stabilität der neuen Währung. Originalton: „Mit den Stabilitätskriterien des Vertrages und dem Stabilitätspakt wird von vornherein sichergestellt, dass die Nettoneuverschuldung auf unter 3 % des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Die Euro- Teilnehmerstaaten werden daher auf Dauer ohne Probleme ihren Schuldendienst leisten können.“ Zu den von der Wissenschaft befürchteten Abstürzen einiger Euroländer, deren Volkswirtschaften als nicht ausreichend stabil angesehen wurden, heißt es: „Muss Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen? Ein ganz klares Nein! Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die Europäische Union oder die anderen EU-Partner für die Schulden eines Mitgliedstaates haften.“

Was in dieser Wahlwerbung nicht erwähnt wird, aber auch zu den Stabilitätskriterien gehört, ist der allgemeine Schuldenstand, der 60 % des BIP nicht überschreiten darf. Diesen Grenzwert hatten 1998 nur 5 von 11 Eurostaaten eingehalten. Ebenso einseitig war die Schlussfolgerung, dass die Teilnehmerstaaten ihren Schuldendienst auf Dauer ohne Probleme werden leisten können. Dieser lasche Umgang mit angeblich strengen Kriterien verdeutlicht beispielhaft die mangelnde Solidität des Projekts. Der CDU ging es allein darum, die Bürger für ihre Euro-Politik zu gewinnen, und nicht etwa um eine Verlässlichkeit der aufgestellten Stabilitätskriterien. Das war bei der SPD nicht anders. So drängte der Bundeskanzler Schröder im Jahr 2000, Griechenland in die Euro-Zone aufzunehmen, obwohl allgemein bekannt war, dass die Voraussetzungen nach dem Maastrichter Vertrag nicht vorlagen. Die etablierten Parteien verweigerten nicht nur eine Politik im Sinne des deutschen Volkes, sondern missachteten sogar die von ihnen selbst im Maastrichter Vertrag gezogenen Grenzen.

Des Kaisers neue Kleider – oder Ignoranz und Schutzuweisungen statt einer Reform des Euro

Auch die anderen Euroländer nahmen es nicht so genau mit den Stabilitätskriterien, die von allen größeren Volkswirtschaften zum Teil wiederholt nicht eingehalten wurden. So kam, was kommen musste: die von der Fachwelt vorhergesagte Krise. Sie traf die Politik völlig unvorbereitet, obwohl es warnende Vorzeichen gegeben hatte. Alle Rating-Agenturen stuften nach und nach die Kreditwürdigkeit einzelner Euroländer herab. Doch anstatt diese Vorgänge sachgerecht zu interpretieren, nämlich als professionelle Hinweise auf eine drohende Gefahr für die Stabilität des Euro, und anstatt dankbar zu sein für diesen „externen“ Kontrolldienst, weil die Euroländer die Einrichtung einer eigenen Überprüfungsinstanz leichtfertig versäumt hatten, reagierte insbesondere die deutsche Politik darauf so trotzig wie ein kleines Kind, das nicht eingestehen will, sich falsch verhalten zu haben.

Die Regierungspartei CDU wehrte alle Versuche einer analytischen Aufarbeitung der Überschuldung im Euro-Raum ab und gab sich empört, weil außereuropäische Institute einfach ihren Slogan in Frage stellten, alle Euroländer werden ihren Schuldendienst problemlos leisten können. Die Chance einer Anpassung der Währungspolitik an die tatsächlich existierenden und zu Recht angesprochenen Probleme wurde ungenutzt vertan. Abermals musste die in solchen Fällen bewährte Gerüchteküche herhalten, indem den Rating-Agenturen völlig grundlos mangelnde Kompetenz und zweifelhafte Beweggründe angelastet wurden.

Die sture Verweigerungshaltung, den Großversuch Einheitswährung kritisch zu hinterfragen, setzte sich fort und gilt auch heute noch als Methode der Wahl. Die deutsche Politik scheint einerseits völlig überfordert sowie zum anderen froh darüber zu sein, dass nunmehr die EZB das Heft in die Hand genommen hat. Mit welchen Konsequenzen eine derartige Selbstaufgabe des Staates für die deutsche Bevölkerung verbunden sein wird, spielt offenbar keine entscheidende Rolle. Wo ein konsequentes Konfliktmanagement von Nöten wäre, werden unsinnige Durchhalteparolen ausgerufen wie: „Scheitert der Euro, scheitert Europa!“ Das Schicksal eines ganzen Kontinents wird heraufbeschworen, nur um eine überfällige Reform der Einheitswährung zu verhindern. Weit und breit findet sich keine Spur von Einsicht, weder gegenüber der ablehnenden Haltung des Souverän zu einem unveränderten „Weiter so!“, noch gegenüber den Fachleuten, welche das Misslingen des Experiments exakt vorausgesagt hatten. Vielmehr zeigt sich bei den staatstragenden Parteien eine Art kollektiver Verkrampfung, die sich um so mehr erhärtet, je weniger sie die Situation überblicken.

Eine Besserung der deutschen Währungspolitik, insbesondere souveränes Regieren statt hilfloses Agieren, ist nicht in Sicht. Die Urheber des Projekts Einheitswährung waren so überheblich, dass im Vertragswerk keinerlei Regelungen enthalten sind, die eine wesentliche Störung oder gar ein Scheitern des Experiments zum Gegenstand haben. Das zeugt von einer unbeschreiblichen Naivität, weil die Notwendigkeit von Konfliktregelungen zu den einfachsten Vorstellungen über den erforderlichen Inhalt von Verträgen mit Dauerwirkung gehört.

Manöverkritik und Hinterfragung des Demokratieverständnisses

Das Projekt Einheitswährung macht erschreckend deutlich, dass die Demokratie immer noch nicht in Deutschland angekommen ist.
In einer grundsätzlichen Angelegenheit wird von einigen führenden Politikern gegen den Willen des Volkes sowie am aktuellen Stand der Wissenschaft vorbei ein Großversuch gestartet. Und obwohl er misslingt, was mit erheblichen Belastungen sowie weiteren Schadensrisiken für die gesamte Republik verbunden ist, wird er bar jeder Einsicht in die Notwendigkeit von Sachzwängen einfach weiter durchgezogen.

Glücklicherweise handelt es sich hierbei „nur“ um ein währungspolitisches und nicht um ein militärisches Projekt, so dass sich die Eingriffe in die Volksgesundheit mit einigen Suizid-Fällen, psychischen Erkrankungen sowie zusätzlichen Krankheitsbildern infolge Nichtbehandlung noch in Grenzen halten. Gleichwohl bleibt über den Fall hinaus die Befürchtung, dass auf die gleiche Weise ein kriegerischer Akt vorbereitet werden und in einer schier ausweglosen Situation enden könnte. Dagegen stünde nicht mehr als die Hoffnung, dass die in finanziellen Angelegenheiten zu beobachtende Trägheit der Bürger dann womöglich in aktiven Widerstand umschlüge und die schlummernden Kräfte der Friedensbewegung freigesetzt würden.
Um der Staatsführung „nach Gutsherren Art“ ein Ende zu setzen, ist eine neue Debattenkultur dringend erforderlich.

In erster Linie muss es darum gehen, das sogenannte Lagerdenken zu überwinden. Militärische Vorstellungen haben in zivilen Diskussionen nichts verloren. Es ist schwer zu ertragen, wie bei jedem neuen Kontakt alsbald der Versuch unternommen wird, sein Gegenüber zu verorten, nämlich in eine gute oder schlechte Gesinnungsschublade zu stecken. Wenn etwas als politisch inkorrekt bezeichnet werden kann, dann ist es diese Art der Stigmatisierung oder Überhöhung! Was in einem Streitgespräch alleine zählen sollte, ist das Gewicht eines Arguments aus sich heraus, nicht aber dessen Herkunft.

 

Wir haben den Ständestaat überwunden und beurteilen einen Menschen nach seiner eigenen Persönlichkeit. Warum aber werden viele Aussagen nach der Person des Erklärenden, also nach ihrer Herkunft und nicht nach ihren Inhalten beurteilt? Respekt gegenüber oder Verachtung für eine Person sind kein Maßstab dafür, welch sachliches Gewicht ein Diskussionsbeitrag hat. Eine politische Partei muss nicht nur offen sein für Sachargumente, sondern auch die Bürger in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen wollen. Ein demokratisches Gemeinwesen lebt vom Vertrauen und dem „Wir-Gefühl“ seiner Mitglieder. Das bedingt eine umfassende Informationspolitik sowie einen regen Meinungsaustausch.

Gesellschaftliche Veränderungen am Volk vorbei und Überraschungsentscheidungen darf es in der Politik nicht geben. Ein möglichst friedliches Zusammenleben lässt sich um so eher erreichen, je mehr Bürger den Eindruck gewinnen, zum aktuellen Zustand der Gesellschaft ihren Beitrag geleistet zu haben. Demokratie lebt von ständiger Mitwirkung ihrer Basis.
Zur Durchsetzung einer solchen Politik ist die Alternative für Deutschland gegründet worden. Der Maastrichter Vertrag soll uns Mahnung und Ansporn zugleich sein,
Gestaltungsaufgaben stets in Einklang mit dem Souverän anzugehen sowie offen, redlich und mit Sachverstand zu verfolgen. Das wollen wir uns immer wieder und jeweils an einem 7. Februar besonders ins Bewusstsein rufen.

Münster, den 07. Februar 2015
Dirk Schnapp für den Vorstand des Kreisverbandes der AfD Münster